Rückspiegel
Bilderspinat mit Blubb (Peiner Allgemeine Zeitung
vom 14.07.05)
Poesie und Provokation: 150 Zuschauer sehen die
Großperformance von Black Market International in der Ilseder
Gebläsehalle
Eine Überdosis Bilder verabreichte die
Performance-Gruppe Black Market International am Dienstagabend ihren
150 Zuschauern in der Ilseder Gebläsehalle. Publikum und Performer
bewegten sich im selben Raum, vermischten sich. Es entstand eine
große Nähe und ein großes Durcheinander.
Von Mathias Begalke
Viele Gegenstände
Die zwölf Künstler - sechs davon
kahlgeschoren, die meisten in Schwarz - arbeiteten mit Gegenständen,
die sie vor dem Auftritt an zwölf Plätzen in der Gebläsehalle
aufgebaut hatten. Eine unvollständige Liste: Sauerkirschen,
Luftpostbriefumschläge, 32 Bananen, ein schwarzer Koffer, zwei
Rasierspiegel, zwei Paar Stelzen, zwei weiße Plüschhasen,
Blecheimer, schwarze Plastikeimer, eine Leiter, zwölf Igel-große
Steine, ein Holzbügel, eine Suppenkelle, eine schwarze Sturmhaube,
eine Stoppuhr, ein scharfes Messer, drei Wassermelonen, zwei Gehstöcke
aus Holz, ein Geigenkasten, Toilettenspray, zwei schwarze Plastikratten,
schwarzes Klebeband, weiße Rollschuhe, ein Zweimannzelt, innen
ein Computer, acht Päckchen Spiralnudeln, zwei tote Fische,
sechs schwarze Müllsäcke.
Die Performances in 24 Bildern
1. Dicker alter Mann schlägt mit Suppenkelle
auf Glas. 2. Dünner alter Mann stößt mit dem Fuß
einen der Steine durch die Halle. Es poltert. Irgendwann fängt
er dabei an zu laufen. 3. Mann im orangeroten Overall sitzt mit
schwarzer Kapuze auf dem Kopf auf dem Boden. Vor ihm das Zelt. Er
sieht aus wie ein Gefangener von Guantanamo Bay. 4. Frau mit schwarzen
langen Haaren füllt Helium in einen schwarzen Müllsack
und lässt ihn an einer Schnur steigen. 5. Dünner alter
Mann klebt sich mit schwarzem Klebeband die beiden Plastikratten
unter die Schuhsohlen. Es quietscht beim Gehen. 6. Junge Frau versprüht
Toilettenspray. Es stinkt wie im Bahnhofsklo. 7. Schmächtiger
Mann in Schwarz setzt sich eine weiße Papiertüte auf
den Kopf und irrt umher. 8. Mann im schwarzen Anzug leckt den Fußboden
ab. 9. Die Frau mit dem Toilettenspray malt mit Kreide einen wohl
15 Meter langen Strich auf den Boden. 10. Mann im schwarzen Anzug
bindet sich sechs Steine mit Klebeband an Beine und Hüften
und schleppt sich ein paar Meter weit. 11. Frau mit schwarzen langen
Haaren befüllt den dritten Müllsack mit Helium. An der
Schnur hat sie inzwischen zwei Sauerkirschen befestigt. 12. Dicker
alter Mann schüttet acht Päckchen Spiralnudeln auf den
Boden. Wenn man darauftritt, kracht es, als würde man Maikäfer
zertreten. 13. Schmächtiger Mann, der sich nun eine Zeitung
um den Kopf gewickelt hat, hält ein Schild vor sich. Darauf
steht: „Death by chocolat“, Tod durch Schokolade. 14.
Ältere Frau mit kurzen Haaren trennt von zwei Fischen Köpfe
und Schwanzflossen ab. Befestigt beides an zwei weißen Plüschhasen.
15. Dicker alter Mann liest mit lauter Stimme Sätze vor wie:
„Die zwölfte Wurzel aus zwei hoch sieben ist 1,2498307“.
16. Auf dem Computer im Zelt wird gezeigt, wie ein Mann - offensichtlich
eine Geisel - enthauptet wird. 17. Mann im schwarzen Anzug steht
da und hält einen Stein über dem Kopf. 18. Ihm gegenüber
der Schmächtige. Er hält einen schwarzen Luftballon über
seinem Kopf. 19. Möwengekreische aus dem Kassettenrekorder.
20. Ältere Frau zieht einen der enthaupteten Fische an einer
Schnur durch die Halle. An die Stelle der Schwanzflosse wurden Puppenbeine
am Fisch befestigt. 21. Dicker alter Mann balanciert einen Globus
auf dem Kopf. 22. Mann im sandfarbenen Anzug hat sich ein Vogelhaus
über den Kopf gestülpt. Dazu Vogelgezwitscher aus dem
Kassettenrekorder. 23. Irgendwo fällt ein schwerer Stein auf
den Boden. 24. Frau mit schwarzen Haaren führt an ihrer Sauerkirschen-Schnur
sechs fliegende Müllsäcke über diesen Rummelplatz.
Analyse
„Die Welt ist schrecklich, schwarz,
schön“ könnte der Titel des Stückes sein, das
die zwölf Künstler gemeinsam vor Publikum erarbeiteten.
Ob dies Kunst ist? Für diejenigen, für die „Malen
nach Zahlen“ Kunst ist, wird die Ilseder Großperformance
keine Kunst sein. Denn mit „Denken nach Zahlen“ ist
dieser Bilderspinat mit Blubb nicht zu begreifen. Vielleicht ist
alles Quatsch, doch vielleicht halten die Künstler aus neun
Ländern mit ihrem genauso poetischen wie verstörenden
Puzzle den Menschen einen Rasierspiegel vor. Denn das Leben ist
beides: Schrecklich und schön, Prostatakrebs und Riesenrad.
Bei weiteren Fragen zu der Veranstaltung
wenden Sie sich bitte an:
Helge Meyer, info@performance-art-research.de
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